Die Prince House Gallery wird blau!
BLAU - ist der Farbreiz, der wahrgenommen wird, wenn Licht mit einer spektralen Verteilung ins Auge fällt, bei der Wellenlängen im Intervall zwischen 460 und 490 nm dominieren. Leonardo da Vinci bezeichnet in seinem Buch “Von der Malerei” Wesen und Wirkung des Blau als immateriell, keine Farbe der Luft, sondern eine metaphysische Mischung des Sonnenlichts mit der „Schwärze der Weltfinsternis“. Goethe, für den es mit Gelb und Blau nur zwei reine Farben gab, setzte das Blau ähnlich an die Grenze zur Dunkelheit und somit dem Gelb, das an der Grenze zum Licht stehe, diametral gegenüber. Die pantheistische Sicht seiner Farbenlehre verband somit die naturwissenschaftlichen mit den ästhetischen, mystischen und psychologischen Aspekte.
Die Farbe BLAU ist nicht nur eine von vielen Farben aus der Palette des Künstlers. Vielmehr ist sie eine sinnhafte Erscheinung, die im Laufe der Geschichte eine tiefe Bedeutungsschicht angesammelt hat. Das spiegelt sich auch in den zahlreichen Redewendungen wider, die das disparate Spektrum anzeigen: “Sein blaues Wunder erleben”, “Blaumachen”, “der blaue Planet”, “blaues Blut in den Adern” oder “ins Blaue hinein gehen", um nur einen kleinen Ausschnitt zu geben. Dazu reihen sich zahlreiche Assoziationen um den strahlenden Farbton. Er weckt Erinnerungen an schönes Wetter, eine ruhige See, ruft die Vorstellung von Himmel, Wasser und Horizont hervor, steht für Jugend und Hoffnung und lässt auf einer abstrakten Ebene auch die Ahnung einer bestimmten Tiefe aufkommen, die in den Dingen liegt. BLAU ist keine kleine Sache, sondern etwas, das an den Rändern ins Unbestimmte greift und mehr verspricht, sogar der Unendlichkeit eine Farbe verleiht. So wurde auch die Himmelsgöttin Maria früh in ein blaues Gewand gekleidet, um ihre theologische Sonderstellung als Mutter Gottes zu kennzeichnen. Die Romantiker erkannten im BLAU des Himmels oder Wassers noch die Anklänge einer göttlichen Sphäre, während die Moderne versucht war die Farbe von den religiösen Schichten zu befreien und sie auf ihre psychologischen Aspekte hin abzuklopfen, vom Blauen Reiter bis hin zu Yves Kleins Monochrome Bleu. BLAU steht aber auch für Klarheit und Konzentration und so verwundert es auch nicht, dass viele Institutionen wie Banken, Parteien oder Länder die symbolische Kraft für ihre Zwecke nutzen, um größtmögliche Transparenz auszustrahlen.
Im Fokus der Ausstellung “Into the Blue” stehen die blauen Werke von Sabine Becker und die Malereien von Annette Besgen. Sie werden mit einzelnen Positionen von Nadine Ajsin, Sabine Arndt, Katerina Belkina, Thomas Geyer, Florian Richter, Karl Schwarzenberg, Gerhard Vormwald und Lars Zech gezeigt, um unterschiedliche Aspekte blauer Bedeutungsschichten zu präsentieren. Florian Richter eröffnet uns mit seinen Fotografien einen am Piktorialismus orientierten Blick auf die Isländische Kühle, der das Raue und Gefährliche in fast romantische Lichtstimmungen hüllt. Es sind menschenleere Landschaften, die durch einen malerischen Duktus gekennzeichnet sind. Das Unbestimmte und die Weite der Seherfahrung werfen den Betrachter auf seine kleine Stellung im Gesamtgefüge der Natur zurück. Dagegen stehen die dunkelblau umhüllten Landschaften von Thomas Geyer. Wie ein einsamer Betrachter in der Nacht blickt man durch seine Bilder auf schlafende Ortschaften, von denen eine eigenwillige Wärme auszugehen scheint. Der Leipziger Maler rückt den verborgenen Blick durch die blaue Nacht in den Mittelpunkt seiner Landschaftsreisen. Eine ganz eigene Wirkung entfalten die in Lebensmittelfarbe gezeichneten Strukturen und Formen von Nadine Ajsin. “The Infinity Beauty of the Universe” etwa umschreibt einen tiefen kosmischen Raum, dessen blauer Hintergrund den tiefen Grund der Geburtsstunde eines Planetensystems zu geben scheint. Annette Besgen hingegen sucht in ihren Malereien die Schönheit der Erscheinungswelt. Die Erscheinungen entwickeln in ihren Lichtwelten ein Eigenleben. Der blaue Horizont und das ruhige Meer atmen die gelassen-warme Stimmung friedvoller Urlaubstage. Die Schatten an den Wänden, die Malereien in der Malerei, all diese Zutaten sind Bestandteile einer sichtbaren Welt, die man eigentlich als getrennte Dimensionen wahrnimmt, in Annette Besgens Bildern aber zu einer eigenen Natur verschmelzen. Den Kulminationspunkt der Blau-Ausstellung bilden Sabine Beckers blaue Arbeiten. Wollte Yves Klein mit seinen monochromen Bildern die Kunst mehr und mehr entmaterialisieren, so finden wir bei Sabine Becker eine gegenläufige Tendenz. Wie ein Gebilde werden die blauen Pigmente (Kobalt- und Miloriblau) in Schichten aufgetragen, bis sie eine ganz eigene materielle Struktur entwickelt haben, die den natürlichen Wüchsen zu ähneln scheint. Dabei ist diesen blauen Objekte eine Strahlkraft eigen, die je nach Tageslicht ganz unterschiedlich ausfällt. Doch was passiert mit dem BLAU in Sabine Beckers Bildern, wenn es das einzige ist, aus dem sich neue amorphe Strukturen herausbilden? Das Pigment selbst ist kein Mittel mehr, um etwas darzustellen, wie z.B. einen Himmel, eine Figur oder Ähnliches. Vielmehr wird das Blau hier selbst zum Bildgegenstand und Bildhelden erhoben.
Ausstellungszeitraum
9 März – 6 April 2023
Künstler
Sabine Becker
Katerina Belkina
Annette Besgen
Nadine Ajsin, Sabine Arndt
Thomas Geyer
Florian Richter
Karl Schwarzenberg
Gerhard Vormwald
Lars Zech
Ausstellungsort
Prince House Gallery
H7, 1 (alte Sparkasse)
68159 Mannheim
Germany